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Real Estate Investment Trusts (REITs).
First Exit für internationale Investoren in deutsche Massenwohnungen

Von Sebastian Müller

In etwa seit der Jahrtausendwende entdeckte die internationale Finanzindustrie, und so bezeichnet sie sich im angelsächsischen Sprachraum selbst, den deutschen Miethäusermarkt und die auf ihm tätigen öffentlichen und quasi-öffentlichen Wohnungsunternehmen. 2004 stieg sie mit dem Aufkauf von 82 000 Wohnungen samt dem Wohnungsunternehmen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Gagfah aus dem Bundesvermögen durch den Private Equity Fonds Fortress aus den USA ein. Schon damals, aber insbesondere seit Veröffentlichung der Studie von Just und Reuther über die neuen Wohnungsportfolios der internationalen Investoren (Just, Reuther 2005) wurde über diverse Exit-Strategien geredet, darunter auch den Börsengang. Gagfah selbst propagierte alsbald, dass sie an den Exit "Deutsche Börse" strebe. Gerade jetzt, am 19. Oktober 2006, soll es soweit sein: 44,9 Millionen Aktien auf Gagfah Group für etwas 17 bis 18 Euro pro Stück in einem Gesamtvolumen von ca. 835 Millionen Euro sollen dann vorbörslich gezeichnet sein und ab dem 19.10. an der Deutschen Börse gehandelt werden. Gleichzeitig wurde, nicht zu vergessen, das Wohnungsportfolio Thyssen-Krupp, alias Immeo der Fonds Morgan Stanley und Corpus, für 2.1 Milliarden Euro an einen französischen REIT namens Foncière Développemnt Logement weiter veräußert, eine weitere Spezies börsennotierter Immobilienfonds. Kaum zwei Jahre nach den ersten Privatisierungen deutscher öffentlicher und quasi öffentlicher Werkswohnungsunternehmen durch die internationale Finanzindustrie scheint also klar: First Exist ist ihre rasche Umwandlung in Börsenprodukte, u.a. in REITs.

REITs - ein global aktives Finanzmarktprodukt

Auch "normale" Aktiengesellschaften sind als Akteure auf dem deutschen Wohnungsmarkt nicht sonderlich stark vertreten und in ihrem Verhalten weitgehend unbekannt. Noch weniger weiß man hierzulande über Real Estate Investment Trusts. Die Ursache dafür: Sie sind bisher an deutschen Börsen bisher nicht zugelassen. Wenn sich der Widerstand dagegen in Teilen des deutschen Bundestages, vornehmlich in der SPD-Fraktion, der Protest des Deutschen Mieterbundes und ihre wissenschaftlichen Berater nicht durchsetzen, dann werden aber auch in Deutschland REITs ganz schnell durch die CDU/SPD-Regierung eingeführt werden. Ihr Finanzminister, Peer Steinbrück, hat bereits Ende September einen Referentenentwurf zur Einführung von REITs an zu beteiligende Ministerien verschickt (vgl. www.reits-in-deutschland.de). Im Oktober, November soll das Kabinett die Gesetzesvorlage beraten und Minister Steinbrück will, dass REITs Aktien zum 01.01.2007 an den deutschen Börsen eingeführt werden können, wenn es sein muss, rückwirkend zum erforderlichen Be-schluss des Bundestages. Geschieht das, dann wird dies als eine weitere Etappe der Öffnung der deutschen Finanzmärkte, Finanzprodukte und Finanzinstitutionen zu Gunsten von Global Playern, vornehmlich aus den USA und Großbritannien, aber natürlich auch aus Deutschland selbst begriffen werden können. Denn entwickelt wurde diese Form der Immobilienaktie in den USA. Sie soll angeblich schon in 20 weiteren Ländern in vergleichbarer Form existieren. Darunter ist mit Sicherheit Frankreich und mit Sicherheit noch nicht Großbritannien, wo ein Einführung aber auch zum 1. Januar 2007 geplant ist, - ein Grund, warum der deutsche Finanzminister auf Geschwindigkeit drückt.

In der Sache geht es immer um dasselbe und um dieselbe Rechtskonstruktion, nützlich nur dazu, den Rechtsberatungsaufwand und Verwaltungsaufwand von Global Playern auf den Immobilienmärkten der Welt zu reduzieren. Es geht zentral um die Verwandlung von Immobilien in internationale Finanzmarktware und um ein einheitliches Steuergeschenk an Immobilienkonzerne. REITs werden auf der Unternehmensseite überhaupt nicht besteuert. In Deutschland soll es eine Befreiung von der Körperschafts- und Gewerbesteuer geben. Hohe Gewinnanteile fließen immer an die meist institutionellen Finanzanleger zurück, dies macht den Charakter der REITs als pures Finanzinstrument klar. In Deutschland sollen 90 Prozent der Unternehmensgewinne an Aktionäre als Dividende ausgeschüttet werden. Einkünfte werden bei nur den Aktionären nach den nationalen Regeln dafür belastet, in Deutschland nach dem Einkommenssteuer Gesetz, von dem man ja weiß, wie viele Steuerschlupflöcher es Großverdienern mit guten Steuerberatern eröffnet. Der Verkauf von Unternehmen ist nach neuerer Gesetzgebung sowieso schon weitgehend steuerlich befreit. Die Umwandlung in REITS soll außerdem noch vier Jahre lang dadurch stimuliert werden, dass bis dahin nicht realisierte Bewertungsreserven, sprich Rücklagen und Rückstellungen, nur zur Hälfte besteuert werden. Gesetzliche Auflagen für die Umwandlung von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften oder gar das Herausnehmen von Wohnungen aus den REITs Portfolios, wie es einmal in früheren Stadien der Debatte um das Einführungsgesetz diskutiert worden war, sind im Referentenentwurf nicht enthalten.

Deutsche REITs heizen die Privatisierung weiter an

Ist diese Form neuer Finanzprodukte auf dem Anlagenmarkt überhaupt von allgemeinerem gesellschaftlichem Interesse oder nur ein neurer Sandkasten für Börsenverliebte? Werden REITs positive oder negative wohnungswirtschaftliche Konsequenzen haben oder nicht? Welche und warum? Selbstverständlich gibt es eine längere Debatte darum. In Großstädten, wo öffentlicher Wohnungsbau in sozialer Verantwortung in großem Umfang die Städte prägt, werden die Entwicklungen kritisch zu sehen sein. Im Ruhrgebiet, wo Werkswohnungsbau und sozialer Wohnungsbau in städtischer oder Landesverantwortung seit hundert Jahren die Stadtentwicklung entscheidend mit geprägt haben, wo es sehr große Bestände gibt und wo außer Fortress und Immeo auch der britische Fonds Terra Firma mit seiner Annington um die 140 000 Wohnungen bei der Viterra alias VEBA Wohnen eingekauft hat, gibt es große Sorgen bei den MieterInnen und ihren Vertretungen. Deswegen haben die Mietervereine des Ruhrgebiets einen offenen Brief geschrieben und ihn davor gewarnt, REITs in Deutschland zuzulassen (vgl. www.mieterforum-ruhr.de/de/themen/verkauf/index.php/art_00001086).

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass REITs in Deutschland wohnungswirtschaftliche und wohnungspolitische Alternativen, wie sie der Wohnbund vielfältig mit entwickelt hat, nicht privilegiert oder unterstützt. Auch genossenschaftliche Lösungen oder Bürgerstiftungsansätze, wie sie von Wolfgang Kiechle als Alternative der Fonds-Privatisierung ins Gespräch gebracht wurden, finden darin keine Stütze. Im Gegenteil wird ausschließlich ein starker Anreiz für große, börsenfähige Wohnungsunternehmen gesetzt, sich in REITs umzuwandeln.

Ein attraktiver Exit für die internationalen Finanzfonds im Wohnungssektor öffnet sich durch das Aktienformat. Internationale Klimmzüge, wie sie Immeo gerade gemacht hat, sind nicht mehr unbedingt nötig, um Kasse zu machen, papierene Wertsteigerungen auch kurzfristig mitzunehmen und die Immobilien in die allgemeinste Mobilie Geld zurück zu verwandeln. Bei Gagfah wird der einfachere deutsche Weg, der bei der Umwandlung in einen REIT nur doppelt unternehmenssteuerfrei wäre, vorexerziert: Die 835 Millionen Euro Einnahmen aus der Aktienemission sollen vollständig an Fortress gehen, so heißt es. Das lässt sich wiederholen, bliebe aber an die bestehenden, spezifisch deutschen Aktienformate gebunden. Freilich muss es der internationale Investorenmarkt hergeben, aber da scheint es Private Equity und Venture Capital mehr als genug zu geben (vgl.www.evca.com).- Die Befreiung von der unternehmensseitigen Besteuerung ist auch ein starker Anreiz für öffentliche Wohnungsunternehmen, die noch nicht von Private Equity Fonds gekauft wurden, die Privatisierung per Umwandlung in einen REIT selbständig in Angriff zu nehmen. Viele mittelgroße städtische oder andere in privatwirtschaftlicher Form geführte, aber in öffentlicher Trägerschaft und Verantwortung gemanagte Wohnungsgesellschaften werden die Vorteile, nicht auf der Unternehmensseite besteuert zu werden, einzuheimsen wollen, den Verlockungen der Erleichterung nicht widerstehen. Deutsche REITs werden die Privatisierung anheizen, denn es wird wehtun, auf den Steuervorteil zu verzichten.

REITs in den USA und anderswo vertreiben Sozialmieter

Gegen die Einführung von REITs trägt der offene Brief der Ruhrgebiets-Mietervereine an Finanzminister Steinbrück wohnungspolitische, arbeitsmarktpolitische und steuerpolitische Gründe vor. Vor allem wird das asoziale Unternehmensverhalten gegenüber Mietern und Mieterinnen enthüllt, das REITs international an den Tag legen, dort, wo sie schon seit längerem als Eigentumsform eingeführt sind. So berichtet der Brief über AIMCO, den größten US-amerikanischen REIT im Wohnungssektor und mit 370 000 Wohnungen der größte private Wohnungsbesitzer in den USA überhaupt. Spezialgebiet von AIMCO ist der Aufkauf von Sozialsiedlungen, die abgerissen werden, um lukrativeren Gebäuden Platz zu machen, in Venice, Kalifornien, auch in Dallas, Sacramento oder Baltimore. "In unserem Portfolio sind viele preisgünstige Wohnungen", schrieb AIMCO 1999. "Viele Sozialprogramme werden in den nächsten Jahren auslaufen und etliche Immobilien sind für eine profitable Umwandlung geeignet". In Venice, Los Angeles, lässt AIMCO gerade die Mieter eines solchen Sozialwohnungskomplexes per Zwangsräumungen mit aller Härte aus ihren Wohnungen vertreiben. Die Zwangsräumung der letzten 37 Mieter von Lincoln Place mit 795 Wohnungen steht unmittelbar bevor (vgl. www.lincolnplace.net).- Lincoln Place wurde 1949 gebaut, locker mit Bäumen und Wiesen zwischen den architektonisch vorbildlichen Bauten. 2005 wurde die Siedlung unter Denkmalschutz gestellt. In der Peripherie von Los Angeles stiegen jedoch die Bodenpreise in den letzten 5 Jahren um 20% jährlich. Die Sozialmieten dürfen nur um 3% im Jahr steigen. Seit dem Erwerb der Wohnungen im Jahr 2003 will AIMCO deshalb die Siedlung abreißen und durch Eigentums-Appartementblocks ersetzen. Dieser Plan war aber aufgrund der Proteste der 800 Mieter nicht schnell zu realisieren. AIMCO nutzt seinen politischen Einfluss bei den Republikanern, um die Mieter vor die Tür zu setzen. Dabei beruft sich AIMCO auf ein Gesetz, das Eigentümer berechtigt, Mietverträge zu kündigen, wenn das Vermietungsgeschäft aufgegeben wird. In Kalifornien konnten Abrissabsicht und Umwandlung in Eigentumswohnungen als Aufgabe des Vermietungsgeschäfts umgedeutet werden. Dagegen gehen die Mieter vor. Gegen diese und andere Zwangsräumungen in Los Angeles wurden Menschenrechtsbeschwerden bei der Organisation Amerikanischer Staaten eingereicht. Auch der Spezialberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf angemessener Unterkunft wurde informiert, wenn auch, wie man sieht, bisher mit nur geringem Erfolg. AIMCO ist ein wohlgemerkt ein solides REIT-Unternehmen. Die Deutsche Bank besitzt einen der höchsten Einzelanteile: acht Prozent.

Viele vergleichbare Geschichten belegen, dass sich mit REITs eine finanzstarke, jedoch auch eine fast anonyme, ortsferne, schwer zu greifende und im globalen Finanzraum umhergeisternde Finanzarchitektur entwickelt. Große REITs bilden eine verschachtelte, internationale Struktur von Firmen, Private Equity Fonds, Banken, Versicherungen, Immobilien- und Rentenfonds, die kaum kontrolliert und reguliert von einer schmalen Klasse von Finanzmanagern gesteuert werden. REITs reduzieren qualifiziertes Hausverwaltungs- und Instandsetzungspersonal und ersetzen es durch Verkäufer, Sicherheitskräfte und andere prekäre Arbeitskräfte. Sie stehlen sich aus sozialen Bindungen für Mietwohnungen. REITs kaufen sich gezielt in preisgünstige Sozialwohnungsbestände ein, weil hier die größten Mietsteigerungen und beachtliche Mieterprivatisierungsquoten durchsetzbar sind. Sie sind ein wohnungspolitisches Übel.

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