PlanungsPolitik-Forschung

Stadt + Gesellschaft verstehen + Planungspolitik gestalten

Kommentare

THS und Evonic-Wohnen fusioniert - Vivawest gegründet.
Anzeichen von Krise bei der Private Equity-Finanzierung der deutschen Wohnungswirtschaft
(12. Dezember 2011)

Unter dem Namen Vivawest formen gerade jetzt der Evonic-Konzern und die THS-Wohnen eine neue Immobiliengesellschaft mit 130 000 Wohnungen. Wenn die EU-Kartellbehörde zustimmt, geht das neue Unternehmen Anfang 2012 an den Start. Es entstehe das drittgrößte Wohnungsunternehmen in Deutschland, sagte Evonic-Chef Klaus Engel am Freitag bei einer Belegschaftsversammlung in Duisburg. Evonic konzentriert sich auf dem Weg an die Börse auf sein Kerngeschäft, die Spezialchemie, und hatte deshalb für seine Immobilientochter Partner gesucht.

Die bisherige Evonic-Wohnen steuert etwa 60 000 Wohnungen bei, die THS-Wohnen 70 000 Einheiten. THS-Wohnen gehört je zur Hälfte Evonic und der Bergbaugesellschaft IG BCE. Im Wohnungsbestand sind viele ehemalige Zechenwohnungen. Das neue Unternehmen mit starkem Einfluss der Mitbestimmung soll auch in Zukunft unter sozialen Gesichtspunkten bewirtschaftet werden, hieß es weiter.

Das neu formierte Unternehmen beschäftigt 1800 Mitarbeiter und führt Kundencenter in 14 Städten mit einem Verwaltungssitz in Gelsenkirchen. Um das Unternehmen bekannt zu machen, werde der von Evonic gesponserte deutsche Fußballmeister Borussia Dortmund bei drei Heimspielen im Februar und März nächsten Jahres mit Vivawest-Trikots auflaufen.

So weit die dpa am 3./4. November 2011.

Die Wahrheit ist, hier hat etwas nicht funktioniert. Was hier offensichtlich nicht funktionierte, das sind zwei Verkäufe, von denen die Managements von Evonic-Wohnen und von der THS vor noch gar nicht so langer Zeit geträumt haben. Evonic träumte von einem Verkauf von 100% Evonic-Wohnen, um mit mehr disponiblem Kapital das zu tun, was Evonic nach dpa will, nämlich "sich auf dem Weg an die Börse auf sein Kerngeschäft, die Spezialchemie", zu konzentrieren. Auch die Erlöse aus dem Verkauf der THS-Wohnungen, die bisher schon hälftig Evonic gehörten, hätten natürlich zu einer Konzentration von Kapital "auf das Kerngeschäft" beigetragen. Die IG BCE stand einem Verkauf auch ihrer Anteile zumindest anfangs mit Interesse gegenüber, so war im Vorlauf der Fusion zu hören gewesen. Sie hatte Interesse daran, ihr in den Immobilien der THS im Ruhrgebiet ziemlich wenig disponibles Vermögen für die Streikkasse, so hieß es, locker zu machen. Das ist nun nicht passiert. Die Eigentumsverhältnisse sind unverändert die alten, und du liebe Güte, die Eigentümer lassen sich sogar so zitieren: "Das neue Unternehmen mit starkem Einfluss der Mitbestimmung soll auch in Zukunft unter sozialen Gesichtspunkten bewirtschaftet werden." Die Mitbestimmung wird auf die ganze neue Firma "VivaWest" augedehnt und die sozialen und technischen Standards der beiden Bergbau-Wohungsunternehmen erhalten werden. Die Mieterinnen und Mieter von Evonic und THS, aber nicht nur sie, wird die Nachricht freuen.

Es ging hier nicht um einen Peanuts-Deal, sondern um die Zukunft von 130 000 Wohnungen. Ob es den Gewerkschaftern der IG BCE im November 2011 mit der Fusion gelang, eine wohnungswirtschaftliche Überraschung von historischer Tragweite zu landen und ein Exempel zu statuieren, das wird sicher durchsickern. Im Trend der letzten 10 Jahre hätte gelegen, solch große Bestände aus NRW an Finanzinvestoren vom Typ Terra Firma oder Goldmann Sachs zu verkaufen, siehe den Verkauf des RWE-Wohnungsunternehmens Viterra an die Terra-Firma-Tochter Deutsche Annington 2006 oder siehe den Verkauf der LEG an die Whitehall-Fonds von Goldmann Sachs 2009. Nun hat der Trend aber einen Knick bekommen. Ich möchte lieber glauben, dass die anschwellende Flut von Enthüllungen über das systematisch miese Treiben von Private Equity Investoren im Wohnungssektor generell und die beginnende Organisation von Widerstand in den Siedlungen und bei den Mietervereinen des Ruhrgebiets speziell den Knick und den Sinneswandel bei den Unternehmensvorständen herbei geführt haben, der dafür die Voraussetzung war. Aber so ganz vertrauen mag ich meinem Glauben nicht. Ich denke, dass ein gehöriges Schwächeln der Private Equity-Branche auf den deutschen Mietwohnungsmärkten dazu kam, wenn es nicht sogar vollständig für den Sinneswandel ursächlich ist. Der Brocken Evonic-Wohnen/THS konnte nicht mehr gestemmt werden. Der internationale Finanzmarktkapitalismus glaubt derzeit den Geschäftsmodellen der Private Equity-Investoren für die deutschen Wohnungsmärkte nicht mehr. Er stellt nicht mehr die immens großen Kredite für die Transaktionen und die üblichen Strukturierungen zur Verfügung. Dafür mehren sich die Anzeichen.

Seit einiger Zeit recherchiert der Experte für Private Equity im Wohnungssektor, Knut Unger, die Schwierigkeiten des Fondsmanagers von Terra Firma, Guy Hands, die Prolongation der Kredite in der Höhe von 4,9 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, mit denen Viterra für die Deutsche Annington aufgekauft wurde. Die Rückzahlung der Kredite ist 2013, also gut in einem Jahr, fällig. Unger fand Berichte darüber, dass Hands gerade versucht, die hunderte oder tausende Besitzer der verbrieften Schuldverschreibungen per Anzeige in einem Blatt für Announcements der Dubliner Börse zu finden, vermutlich um mit ihnen über einen Umtausch der alten Hypothekenbriefe in neue zu reden. Die Einzweck-Gesellschaften bzw. Briefkastenfirmen mit ihren schönen Fantasienamen, über die Hands seine Verbriefung organisierte, haben wohl keinen Cent, den sie an die Anleger zurückzahlen könnten oder wollten. Die Mieten in den Annington-Beständen und die Kürzungen von kostenträchtigem Personal und Instandsetzung fütterten die Fonds-Eigentümer und sorgten für die Bedienung der Zinsen für die ausgereichten Pfandbriefe. Für viel mehr dürfte es nicht gelangt haben. Weder bei der Deutschen Annington noch in Hands' Vermögen selbst dürfte genug zu finden sein, um alle Pfandbriefe oder auch nur einen kleineren Teil davon tilgen zu können. Können Hands und die Deutsche Annington nicht tilgen, sieht es nach Insolvenz aus.

Bis Mitte 2012 muss auch die Immobilienfirma Prelios, die in Deutschland etwa 400 Leute beschäftigt, rund 500 Millionen Euro refinanzieren. Nach dem gescheiterten Verkauf der Wohnungsgesellschaft Baubecon hat Prelios das eingesetzte Eigenkapital von 93 Millionen Euro vollständig abgeschrieben, berichtete die "Immobilien Zeitung" vor wenigen Tagen. Die wirtschaftliche Kontrolle der Baubecon läge inzwischen bei Barclays Capital. Der "Immobilien Zeitung" wurde außerdem eine interne Mitarbeiterinformation der deutschen Prelios-Geschäftsführung zugespielt. In dem vierseitigen Schreiben nimmt die Geschäftsführung zu den Problemen der Firma Stellung. Dort heißt es u.a., dass "die gesamte Finanzierung unseres Unternehmens in Höhe von rund 500 Millionen Euro neu strukturiert und auf 'eigene Füße' gestellt" werden müsse. Das liegt daran, dass die finanziellen Garantien des ehemaligen Prelios-Hauptaktionärs Pirelli Mitte 2012 auslaufen. Außerdem erfahren die Mitarbeiter, dass ihr "Solidaritätsbeitrag" (Gehaltsverzicht von 2009) nicht zurückgezahlt wird. Auch das riecht nach erheblichen Schwierigkeiten, die Banken nur mit erheblichen Aufschlägen für Risiken, wenn überhaupt, zu schultern bereit sein dürften.

Dazu passt, dass ebenfalls vor ein, zwei Wochen zwei weitere Experten des Real Estate Private Equity in Deutschland, Ralph Winter und Nico Rottko, beginnen, schwarz für die Branche zu sehen. Ihre Pressemitteilung zur Gründung eines Forschungsverbundes zur Untersuchung von sog. Distressed Real Estate Dept kulminiert gewissermaßen in den Sätzen, mit denen sich Ralph Winter zitiert sehen will: "Fremdkapital wird von Banken überhaupt nicht mehr oder nur noch für Investitionen mit sehr niedrigem Risiko angeboten. Dieser Zustand wird sich noch verschlechtern und zu einem steilen Anstieg notleidender Immobilienportfolien führen. Die Banken können aufgrund der ihnen auferlegten Eigenkapitalmindestanforderungen dem öffentlichen Anspruch der ausreichenden Kreditversorgung nicht mehr nachkommen. Die Finanzierung von Immobilieninvestitionen, wie wir sie kennen, ist Vergangenheit und niemand kann derzeit die genauen Auswirkungen auf die Märkte erkennen (The New Normal)", sagte Ralph Winter. Ausdrücklich gab er "ausländischen" Investoren ein Stück Mitschuld an der Malaise: "Ausländische Investoren haben zunächst ohne eine wirkliche Marktexpertise zu teuer eingekauft, um dann fälschlicherweise zu denken, sie könnten ihre Immobilien ohne eine Präsenz im Markt erfolgreich managen", so Winter. "Im Ergebnis sehen wir nun eine Vielzahl an Portfolien, die den Kapitaldienst aus sich selbst heraus nicht mehr bedienen können. Rottko kritisiert dieselben Private Equity-Investoren und bezeichnete sie als solche, "die Immobilien ihren Wert durch ein falsches Management entziehen."

Der Markt brauche innovative Lösungen für die Bewältigung des bevorstehenden Finanzierungsstillstandes, meinte Winter noch. Deswegen will man gemeinsam "praxisnah" forschen. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass sich nur durch "Lösungsansätze für die Kommunikation zwischen Banken und Investoren" die Krise der Real Estate Private Equity-Branche zurückdrehen lässt, wie Winter und Rottko optimistisch annehmen. Wahrscheinlich ist doch eher ihr sehr schmerzhafter Absturz. Er ist nach meiner Meinung auch fällig.