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Schlechtes erstes Quartal 2012 für Privatisierungsgegner
(6. April 2012)

Für Gegner der Wohnungsprivatisierung in Deutschland war der Start ins neue Jahr nicht wirklich angenehm. Paketverkäufe unter Private Equity-Wohnungsinvestoren hatten sich schon 2011 wieder belebt. Und dann verkaufte Anfang Februar die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) 21.000 Wohnungen, die das Land Baden-Württemberg bei ihr geparkt hatte. Die neue Eigentümerin: die völlig private, börsennotierte Patrizia Immobilien AG.

1. Der Verkauf der Baden-Württembergischen Wohnungen

Den Verkauf soll der Patrizia-Manager Mathias Moser maßgeblich eingefädelt haben. Er war es, so schrieb die Süddeutsche Zeitung, der den Verkauf der Gagfah an seinen damaligen Arbeitgeber, den Finanzinvestor Fortress, auf den Weg brachte, was mittlerweile von Hamburg über Wuppertal bis Dresden zu größeren Mieterprotesten und nur zu denkbar negativsten Schlagzeilen geführt hatte, die da hießen: Betrug am mit der mit der Stadt Dresden ausgehandelten Sozialcharta für die Mieter; trotz aller Sozialklauseln maximale Instandhaltungsmängel bei maximaler Mieterhöhung und maximalem Profit für die Private Equity-Fonds der Fortress überall.

Vor dem Verkauf der Wohnungen durch die LBBW hat anscheinend nur ein Thema die öffentliche Debatte bestimmt, der Druck nämlich, den die EU ausübe, den Verkauf zu realisieren. Die EU-Komission machte ihn nämlich 2008 zur Bedingung für die Genehmigung einer Milliardenhilfe für die strauchelnde LBBW. Immer dieselbe Leier übrigens. In Bayern soll die Bayrische Landesbank ebenfalls Immobilien- und Wohnungseigentum veräußern. NRW wird dem Hören-Sagen nach von der EU gedroht, das Wohnungsbauvermögen des Landes bei der NRW Bank ebenfalls als unerlaubte privatwirtschaftliche Aktivität einzustufen und ihre Vergabe sozialer Wohnungsbaukredite auf diesem Wege abzuwürgen.

Beim Verkauf der LBBW-Wohnungen konnte anscheinend jede öffentliche Diskussion um die Privatisierung von öffentlichem Wohneigentum und um künftige Eigentümer vermieden werden, so dass die Landesbank es sich leisten konnte, das Kaufangebot von Patrizia in der Höhe von 1,435 Milliarden Euro zu akzeptieren, obwohl ein nur um 43 Millionen Euro niedrigeres Angebot eines Konsortiums aus der Stadt Stuttgart, der R+V-Versicherung/GWG und anderen GWG-Genossenschaften aus Baden-Württemberg auf dem Tisch lag. Manche pflegen jetzt Verschwörungstheorien gegenüber dem Konsortiumführer Michael Föll (CDU), Finanzbürgermeister Stuttgarts, manche meinen, er hätte einen Deal zu Gunsten des Konsortiums schlicht versemmelt, nicht wissend, dass die Bieterin Fortress ein höheres als sein Angebot vorgelegt hatte. Das alles wird ausführlich in einem Beitrag von Josef-Otto Freudenreich mit dem Titel "Panther gegen Tiger" in der "Kontext: Wochenzeitung" vom 3./4. März 2012 ausgebreitet. Im Nachhinein war allerdings die Kritik an diesem Deal harsch. Der Vorsitzende des Mieterbundes Baden-Württemberg, Rolf Gassmann (SPD), wurde damit zitiert, dass hier der Mieterschutz dem Profitinteresse der Bank geopfert worden sei und die Entscheidung der LBBW sei "skandalös" und "unverantwortlich". Der Deal sei "vertretbar", sagte aber der GRÜNE Ministerpräsident Kretschmann. Was Besseres fiel ihm nicht ein. Die GRÜNEN also auf Tauchstation. Die Mieter sind auf Abwarten gepolt, sehen aber eher grau oder schwarz, wie der Hausmeister aus der mitverkauften ehemaligen Eisenbahnersiedlung an der Goppelstraße in Stuttgart erzählt: "Wenn er seine Runden macht, trifft er viele, die verunsichert sind, erzählt er. Junge und Alte, die nicht wissen, was passiert, wenn das Viertel im Zuge von S21 saniert wird. Als in der Zeitung stand, dass die LBBW die Wohnungen an Patrizia verkauft, haben manche geweint, sagt er." (Kontext: Wochenzeitung, 10./11. März 2012, 2). Verständlich, wenn man die Fotos der Eisenbahnersiedlung am Stuttgarter Nordbahnhof ansieht, Bilder einer schlichten Siedlung des sozialen Wohnungsbaus der 1960er Jahre vermutlich, in der die Sozialbindungen ausgelaufen sind, aber doch viele geblieben sind, und in dem jetzt viele alt geworden sind, denen vor einem zerstörten Mietfrieden grauen muss, der mit Patrizia um einiges wahrscheinlicher geworden ist.

2. Ein Verkauf der bayrischen Wohnungen steht bevor

In Bayern geht es aktuell um den Verkauf von 30.000 Wohnungen der Bayrischen Landesbank. 25.000 Wohnungen habe die Bayern Bank bzw. ihre Immobilientochter DKB Immobilien bereits an die Hamburger TAG für einen Betrag von ca. 1 Milliarde Euro verkauft, heißt es Mitte April in der SZ. Ist dies schon der größte Teil der bayrischen Wohnungen, um die derzeit im Wahlkampf zum bayrischen Landtag Nebelkerzen zwischen dem amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem sozialdemokratischen Herausforderer Christan Uhde hin und her geworfen werden? Nein, das sind doch noch andere, nämlich das Portfolio der 33.000 Wohnungen der Münchner Immobilientochter der Landesbank, der GBW. Angeblich haben sich die Stadt München und andere Kommunen, die als zukünftige Eigentümer in Frage kommen, bisher nicht auf ein tragfähiges Angebot geeignet. Meinen wenigstens der Bayrische Ministerpräsident und der Finanzminister und CSU-General Markus Söder. Und "seine" Bayrische Landesbank, was meint die? Es ist in der derzeitigen politischen Konstellation nicht auszuschließen, dass für die 33.000 GBW-Wohnungen ebenfalls ein Finanzinvestor bereits einen Fuß in der Türe hat.

3. Die Auflösung des Landtags NRW und der Enquete-Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel ..."

Nordrhein-Westfalen war durch massive Privatisierung von Werkswohnungsbeständen zwischen 2000 und 2006 und den Verkauf der landeseigenen Wohnungsbestände durch die schwarz-gelbe Koalition an internationale Finanzinvestoren in den zweifelhaften Genuss gekommen, unter den weitaus größten Erfahrungen mit Finanzinvestoren leiden zu müssen. Die Aufarbeitung dieser Erfahrungen hatte durch die Einsetzung einer Enquete-Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel" des Landtags NRW durch Rot-GRÜN Ende 2010 erheblich an Fahrt gewonnen. Drei größere Gutachten wurden vergeben und diverse Anhörungen von Experten in der Kommission und im Umfeld der Kommission ließen Details der menschenverachtenden Geschäfts- und Vermietungspraxis von großen Vermieter-Investoren immer sichtbarer werden. Die Vorsitzende der Enquete, Daniela Schneckenburger (GRÜNE), erarbeitete durch die Enquete und durch ihre öffentlichen Auftritte und Veröffentlichungen für die Landesregierung und für die GRÜNEN ein überraschendes, frisches und kritisches wohnungspolitisches Renomée über Nordrhein-Westfalen hinaus. Sie hatte nicht gezögert, Finanzinvestoren, die durch massive Desinvestition Wohnungen zu Schrottimmobilien verkommen ließen, die Vorbereitung auf Enteignung anzudrohen. Und weil immer klarer wurde, dass entschädigungslos wohl keine Kommune in NRW Wohnungen von Finanzinvestoren würde loseisen können, verlangte sie auch immer nachdrücklicher finanzielle Unterstützung aus der Landeskasse oder Landesbank, und sei es auch vorderhand nur auf Kreditbasis. Das alles brach mit der Auflösung des Landtags NRW und damit der Enquete-Kommission am 14. März 2012 erst einmal in sich zusammen.

Nicht allen hat der frische Antritt gepasst, sowieso nicht den Finanzinvestoren, der CDU und FDP. Peinlich ist vor allem, dass GRÜNE Realos im Landtag die bisherigen Ergebnisse der Enquete kritisch sehen. Die Enquete "Wohnungswirtschaftlicher Wandel" ist vielleicht deswegen schon jetzt einen frühen Tod gestorben. Hieß es Anfangs in GRÜNEN Kreisen noch hinhaltend, es seien genug Instrumente in der Bauordnung und im besonderen Städtebaurecht, um Finanzinvestoren im Wohnungssektor zu Instandhaltungsinvestitionen zu zwingen. Geld sei nicht nötig. Und außerdem könne es wohl keine sinnvolle Politik sein, Finanzinvestoren einen Exit auf Staatskosten zu ermöglichen. Die Installation eines Landesbeauftragten zur Unterstützung der NRW-Kommunen in dieser Frage sei das höchste der Gefühle. Die Vorhaltungen waren aber in letzter Zeit prinzipieller, und die "Schuldenbremse" wurde gegen jedes finanzielle Engagement des Landes beim Ankauf von Finanzinvestoren-Wohnungen in Stellung gebracht, wie man hört, vom GRÜNEN Fraktionschef Priggen persönlich. Die Schuldenbremse ist neuerdings Priggens Mantra: "Im Grundgesetz steht bereits eine Schuldenbremse, und damit ist sie auch für NRW verbindlich und muss ab 2020 eingehalten werden. ... Eine nachhaltige Entwicklung mit klaren Zielen bis 2020 ist uns wichtiger als billiger Populismus." Statt in den Landeshaushalt abenteuerliche Löcher zu reißen, würde doch ein stilles Entschlafen der Enquete im Rahmen der Auflösung des Landtags politisch vorteilhafter sein, könnte das Kalkül sein. Und außerdem würde man auch weitere Ausgaben der Enquete-Kommission einsparen. Die bisherigen inhaltlichen Erkenntnisse der Enquete könnten zukünftig auch im Bau- und Planungsausschuss abschließend der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden.

Ob da nicht die Bewohner der Arbeitersiedlung Flöz Dickebank in Gelsenkirchen einen Strich durch die Rechnung machen, die gerade in einer riesenhaften Versammlung ihre Stadt aufgefordert haben, ihre Wohnungen zu kaufen und so die Häusserbau auszustechen, die beabsichtigt, sie demnächst von dem Finanzinvestor und Wohnungsgroßunternehmen Deutsche Annington zu kaufen? Oder die Mieter der ehemaligen Thyssen und heute IMEO-Siedlung am Zinkhüttenplatz in Duisburg-Hamborn und ihre Unterstützer, die ziemlich rabiat gegen ihre Vertreibung durch ein Factory Outlet Center und die Mitgewinnerin, den Finanzinvestor-Vermieter IMEO, zu Werke gehen?