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Finanzmarktorientierte Wohnungsunternehmen. Eine Studie der BBSR
(15. Februar 2017)

Nein, es sind nicht die Münteferingschen Heuschrecken, die über Unternehmen herfallen, alles, was an Substanz da ist, wegfressen und dann zum nächsten Opfer weiterziehen, über die Stefan Kofner und Kerstin Jochimsen und Mitarbeiter für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, kurz BBSR, eine Studie verfasst und im Januar 2017 veröffentlicht haben. Heuschrecken sind sowieso für Finanzinvestoren, die ab den Jahren 2004, 2006 privatisierte deutsche Wohnungsunternehmen aufkauften, eine eher verkorkste Metapher. Die Unternehmen haben keine Substanz verloren. Der eine oder andere Firmenname verschwand durch einen neuen oder durch Unternehmensübernahme und Konzentration. Man ist heutzutage börsennotiert und erfreut sich einer ausgezeichneten Gesundheit. Sogar manche Finanzfonds aus der Hochzeit des außerbanklichen Private-Equity-Investments machen noch mit. Sie haben Aktienpakete der deutschen börsennotierten Wohnungsunternehmen gekauft und halten sie auch 2016 oder 2017 noch.

Die Studie des BBSR ist 196 Seiten lang. Sie ist eine ausgezeichnete Fundgrube für Leser und Leserinnen, die die relativ jungen und durch Masse und Aggressivität herausragende professionelle Vermieter auf den Wohnungsmärkten Deutschland kennen lernen wollen - die finanzmarktorientierten oder börsennotierten Wohnungsunternehmen, wie sie Stefan Kofner und Kerstin Jochimsens Team nennen. Zu ihnen zählen Kofner und Jochimsen 9 große Wohnungsunternehmen mit zusammen 893 230 Wohnungen in Deutschland.

1. Finanzmarktorientierte Wohnungsunternehmen

Nachdem Kofner und Jochimsen die spannungsreiche Entstehungsgeschichte dieses Sektors von Wohnungseigentümern geschildert haben, zeigen sie nach meiner Meinung deutlich, wofür ehemaligen Private-Equity-Fonds-Manager mit ihren Wohnungsbestän-den an die deutsche Börse gingen. Sie wollten auch den Aktienmarkt und den Anleihenmarkt, zwei weitere Sparten des Finanzmarktes, als Glieder einer großformatigen Wertschöpfungskette so umfangreich wie möglich nutzen und aus den Begrenzungen der Schattenbanken und dem außerbanklich gehandelten Fondgsgeschäft ausbrechen. Kofner und Jochimsen haben etwa dem Geschäftsbericht 2015 des größten deutschen börsennotierten Wohnungsunternehmen, Vonovia, entnehmen können, dass im Geschäftsjahr 2015 Nettoausgaben in der Höhe von 3,01 Mrd. Euro für den Erwerb von Beteiligungen/bzw. Übernahmen an konsolidierten anderen Wohnungsunternehmen (Gagfah, Süwedo, Franconia) getätigt wurden. Der Geschäftsbericht teilt auch mit, dass vorrangig für diese Übernahmen Eigenkapital- und Fremdkapitalmittel auf dem Finanzmarkt beschafft wurden. Die Kosten der Übernahmen machten drei Viertel der Nettoauszahlungen von 2015 aus. Nur 686 Mio. Euro wurden für Instandsetzung oder Modernisierung der Immobilien gesichert. Sie sollten aus KfW-Mitteln und mit den Einnahmen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb finanziert werden.

Vonovia Werbetafel

Auch die LEG-Immobilien AG finanzierte den Kauf von 9.600 Wohnungen der Deutschen Annington zum Preis von 484 Mio. Euro durch die Emission eine Wandelanleihe in der Höhe von 300 Mio. Euro und mit einer zusätzlichen Kapitalerhöhung. Schon im April 2014 hatte auch die Deutsche Annington, Vorgängerunternehmen von Vonovia, eine nachrangige Hybridanleihe in der Höhe von 700 Mio. Euro emittieren können und damit den Kauf von DEWAG und Vitus- Wohnungsbeständen finanziert. Nur für Handelsplatt-formen des Finanzmarktgeschäftes, ist es wichtig, durch Massenströme von Geld aufzufallen, sei es bei auf den Aktienmärkten oder auf den Anleihenmärkten für Anleiheninvestoren. Selbstverständlich sind dafür hohe (externe) Unternehmensratings und das Ansehen der Rating Agenturen wesentliche finanzierungstechnische Voraussetzungen, wie wir das Kofner und Jochimsen mitteilten.

2. Auf geht's! Gewinne machen - auch über die ganze Kette der Wohnungskosten

Auch wenn die Finanzmärkte von allergrößte Bedeutung für Standfestigkeit und Wachstum der Werte börsenorientierten Wohneigentums sind, spielen der Markwert der Wohnungen und die Kosten des Wohneigentums doch eine nicht völlig untergeordnete Rolle. Kofner und Jochimsen fassen ihre Untersuchungsergebnisse der Strategien der finanzmarktorientierten Wohnungsunternehmen für die Inwertsetzung ihrer Wohnungssubstanzen in etwa so zusammen:

  1. Es werden Möglichkeiten für Mieterhöhungen systematisch gesucht und genutzt, Mieterhöhungsspielräume werden weitestgehend ausgenützt. Es spielt keine Rolle, dass diese Praxis extrem konfliktreich ist und zu Hunderten von Prozessen führte, die eher nicht erfolgreich und eher selten gut für die Wohnungsunternehmen ausgingen.
  2. Betreuungs- und Verwaltungspersonal wurde zunächst ausgedünnt und dazu gedrängt, sich aus der Objektbindung zu lösen, örtlich mobil und zeitlich flexibel zu arbeiten und sich außertariflich entlohnen zu lassen.
  3. Instandsetzung und Reparatur wird EDV-unterstützt erfasst, systematisiert, erfasst und abgerechnet, was aber nicht heißt, dass diese Geschäftsprozesse fehlerfrei funktionieren.
  4. Nach einer Phase des Outsourcing von Instandsetzungen, Wärmeabrechnung und des Forderungsinkassos ist etwa Vonovia in eine Phase des Insourcing eingetreten und gründete schon seit einiger Zeit eigene Unternehmen für Hausmeisterdienste, Reparaturbetrieb, Modernisierung und modularen Neubau, die sie in einer Konzernstruktur führt. Es wurden auch wieder hunderte Mitarbeiter eingestellt.

Auf diese Weise versucht ein großes börsennotierten Wohnungsunternehmen wie Vonovia nicht nur einzelne "Werttreiber" oder Profittreiber sondern die gesamte Prozesskette des Vermietungsgeschäfts in den Blick zu nehmen und die Erlöse und Kosten ihrer Geschäftsprozesse, ihrer Wohnungsbestände zu optimieren, um damit ihre Aktionäre und Anleihengeber von der Werthaltigkeit ihres Investments zu überzeugen und sie bei der Stange zu halten. Nach meiner Meinung ist es nicht mehr als eine Maskerade, wenn Vonovia von sich sagt, sie stütze sich dabei nicht auf eine plumpe Erfolgsrechnung, sondern auf eine ausgebuffte Portfolio-Strategie, die 57 Prozent dem Teilportfolio "Aktives Management", 14 Prozent dem Teilportfolio "Gebäudemodernisierung", 10 Prozent dem Teilportfolio "Wohnungsmodernisierung" und 9 Prozent dem Teilportfolio "Non Strategic" zugerechnet würden.

3. Wohnungspolitische Herausforderungen - was ist von den finanzmarktorientierten Wohnungsunternehmen zu erwarten?

Insgesamt befinden sich die börsennotierten Wohnungsunternehmen in einer guten wirtschaftlichen Verfassung, so resumiert das BBSR-Gutachten die empirischen Untersuchungen über Schuldenstände, Investitionsvorhaben und Risiko bei den börsennotierten Wohnungsunternehmen in Deutschlands. Dazu, so meinen Kofner und Jochimsen, hat die Festigkeit des Kapitalsmarkts in den letzten 10 Jahren und die Entwicklung der stetig gestiegenen Mieten der letzten Jahre in den Großstädten Deutschlands entscheidend beigetragen. Die Zinsbelastungen der Unternehmen sanken und die Mieteinnahmen wuchsen, der Leerstand sank auf ein bis zwei Prozent der Wohnungen. Ob der Anteil der Wohnungen 11,8 Prozent des Mietwohnungsbestands ausmachte wie in Berlin oder nur 4,4 Prozent wie in Hamburg oder 20 Prozent wie in Dresden, 16,6 Prozent in Dortmund oder 5,5 Prozent in Bonn beträgt, es spielte anscheinend keine Rolle. Die börsennotierten Unternehmen zeigten keine Auffälligkeiten gegenüber anderen Anbietern auf denselben lokalen Wohnungsmärkten. Weder Verrücktheiten, noch besonders auffällige Zurückhaltung, noch besonders krasses Ausbeuterverhalten gegenüber anderen Wohnungsanbietern ließ sich statistisch nachweisen.

In Dortmund wurde vom Mieterverein über den Mietpreis steigernden Effekte umfangreicher Modernisierungen in der südlichen Innenstadt berichtet, und generell klagten die Mieter und Mietervereine über mangelnde Erreichbarkeit der Wohnungsunternehmen und über lahme Reaktionsgeschwindigkeit bei der Beseitigung von angezeigten Instandsetzungsbedürfnissen. Aber auch da konnten von Kofner und Jochimsen markante Differenzen zu anderen Anbietern wie städtischen Wohnungsgesellschaften, Hobbyvermietern oder Wohnungsgenossenschaften nicht wirklich festgestellt werden. Die Risikotoleranz auf den Anlagemärkten habe bei den börsennotierten Wohnungsunternehmen im Vergleich zu den opportunistischen Vorläufern abgenommen, die Renditeansprüche seien bescheidener geworden, bescheiden wie Aktionäre mit der für sie typischen langfristigen und nachhaltigen Ausrichtung ihrer Geldanlagen.

Sind solche Befunde Ergebnis einer Wahrnehmungsstörung? Ich meine, sie sind es nicht, aber sie blenden aus, das die sozialen Schieflagen unserer Gesellschaft sich derzeitig generell vor dem Hintergrund einer gesättigten Konsumgesellschaft nicht katastrophisch und eruptiv entwickeln. Die Gesellschaft polarisiert sich schon lang und ziemlich leise, höchst individualisiert nach unten. Nur "Einzelfälle" können im Wachstum des Mietgeschäftes nicht mehr mithalten. Selbstverständlich ist es ein Unglück. Vielleicht ist es aber nur ein zeitlich begrenztes, und es findet sich bald wieder eine Wohnungslösung, vielleicht eine prekärere aber billigere. Oder ein langfristiger, billiger Kredit findet sich oder eine kleine Erbschaft, die das Problem verschieben, oder ein 400-Euro-Job oder die Arbeitsmarktkonjunktur springt wieder an. Oder man/frau kann an den Stadtrand ziehen oder die Gerichtsvollzieher vereinbaren Ratenzahlung für ausstehende Mieten oder der Hilfeverein aus der evangelischen Gemeinde kratzt Geld dafür zusammen oder die weitere Familie oder, oder, oder. Das kann jahrelang klappen.

Und jahrelang klappt auch die Kapitalrendite, ebenfalls nicht immer spektakulär, aber sie sammelt sich bei den Anlegern stetig genug an. Die Anleger werden darüber vielleicht meckern. Aber so lang keine Hochzinsphase eingeläutet wird, das Finanzkapital an einen anderen Ort der Erde auswandert oder ein Börsencrash kommt, geht das Casino der börsennotierten Wohnunternehmen in Deutschland weiter. Vom operativen Verhalten der angeblich so optimierten, börsengehandelten Wohnungsunter-nehmen ist nichts Anderes und Besseres zu erwarten. Preiswerten Wohnraum werden sie immer nur als schäbiges Erbe aus Vorzeiten und als Non Core anbieten. Wohnungsgenossenschaften werden immer resilienter wirtschaften wie sie das auch schon in der Vergangenheit gemacht haben. Das bestätigt ihnen auch die Studie von Jochimsen und Kofner. Warum sich wohnungspolitisch für die Versorgung mit preiswertem Wohnraum mit den börsennotierten Wohnungsunternehmen überhaupt noch stundenlang aufhalten? Sie sind nach wie vor hauptsächlich zu kritisieren - und äußerst restriktiv mit staatlichen Wohnungsmarktmitteln zu beglücken.