PlanungsPolitik-Forschung

Stadt + Gesellschaft verstehen + Planungspolitik gestalten

Kommentare

Vonovia Story: Das Jahr 2000
Bundesregierung privatisiert Eisenbahnerwohnungen - Vonovia geboren
(23. November 2017)

Der schon länger andauernde und teils dramatische Prozess einer friedlichen Revolution in der DDR endete 1989 mit dem nicht verhinderten Überklettern der Mauer in Berlin durch Tausende von meist jungen Leuten aus der DDR. Am 3. Oktober 1990 erklärte die DDR ihren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland.

Eisenbahnerwohnungen 1

Eisenbahnerwohnungen in Erfurt, Straßenseite

Im Dezember 1990 fanden die ersten gesamtdeutschen Wahlen statt. Überraschend gingen sie für die regierende CDU verloren. Wohnungspolitisch hat die Rebellion der DDR-Bevölkerung den herrschenden Machtblock nicht beeindruckt. Gegen den Widerstand der Eisenbahner und ihrer Gewerkschaften privatisiert die Bundesregierung Deutschland im Dezember 2000 / Januar 2001 die Sozialwohnungen der Eisenbahner an ein privatwirtschaftliches Wohnungsunternehmen. Käuferin war der Private-Equitiy-Fonds der Deutschen Annington, die spätere VONOVIA. Der Verkauf machte die Deutsche Annington mit einem Schlag zu einem sehr großen Wohnungs-unternehmen in Deutschland. Sie kaufte 18 Eisenbahn-Wohnungsgesellschaften mit ca. 110.00 Wohneinheiten sowie 33 Eisenbahner-Baugenossenschaften mit ca. 55.000 Wohneinheiten. Es war die eigentliche Geburtsstunde der VONOVIA, des größten Wohnungsunternehmens in Deutschland heute und börsennotiert.

Gewerkschaft TRANSNET protestiert

Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft TRANSNET kommentierte den Verkauf der Wohnungen an die Deutsche Annington als "vertane Chance auf eine faire Mieterprivatisierung nach dem Motto: Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand", eine Entscheidung, die der Hauptpersonalrat beim Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens und die TRNSNET kritisiert hatten und "für den wohnungs-, sozial- und fiskalpolitisch falschen Weg" hielten. Das Bundeseisenbahn-Vermögen war ein paritätisch mitbestimmter Betrieb der Deutschen Bahn. Es war Eigentum der Bundesrepublik, in dem die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft TRANSNET und die Verkehrsgesellschaft GDBA eine gewichtige Rolle spielten. Ihre Mitglieder im Aufsichtsrat waren strikt gegen die Privatisierung der EWG. Sie setzten darauf, die Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen über die Mitbestimmungsrechte ihrer Personalräte zu verhindern. TRANSNET hielt eine Fülle von Mitgliederversammlungen ab, in denen die beabsichtigte Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen scharf kritisiert wurde. Sie hatten aber im Aufsichtsrat keine Mehrheit für ihre Auffassung.

Gewerkschaft GDBA protestiert

Die GDBA beschreibt die Niederlage der Beschäftigten der Bahn im Kampf gegen die Privatisierung kurz so: "Obwohl alle Parteien im Deutschen Bundestag im Rahmen der Entscheidung über die Bahnreform zugesichert hatten, die Wohnungsfürsorge als betriebliche Sozialeinrichtung der Bahn zu erhalten, hat die Bundesregierung Ende des Jahres 2000 die Anteile des Bundeseisenbahnvermögens an den 18 Eisenbahn-Wohnungsgesellschaften bis auf einen Anteil von 5,1 Prozent, der beim BEV verbleibt, an verschiedene Bieter verkauft. Dabei wurde für den Bundeshaushalt ein Erlös von netto 4,615 Mrd. Mark erzielt." Die GDBA dokumentierte, dass sie "seit 1997 mit allen politischen Mitteln gegen den Verkauf gewehrt hat", und den Hauptpersonalrat unterstützte, der am 7. Oktober 1998 die Privatisierung ablehnte, jedoch durch das Bundesverwaltungsgericht gezwungen wurde, den Widerstand im Mitbestimmungsverfahren aufzugeben. Damit wurde der Weg für die Bundesregierung frei, den Verkauf den Verkauf der Eisenbahnwohnungsgesellschaften zu vollziehen.

Eisenbahnerwohnungen 2

Eisenbahnerwohnungen in Erfurt, Gartenseite

Vor der Wahl: SPD gegen die Privatisierung

1990 sollten die ersten gesamtdeutschen Wahlen zum Deutschen Bundestag stattfinden. Der geplante Verkauf der Eisenbahnerwohnungen war Thema im Wahlkampf. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl wollte in Konsequenz ihrer Deregulierung des sozialen Wohnungsbaus selbstverständlich verkaufen. Die SPD wollte den Verkauf verhindern. In einer Presseerklärung der SPD-Fraktion vom 25. September 1998 schrieb sie: "Eisenbahnerwohnungen: Verkauf stoppen. ... Der Erhalt der Gesellschaft als Sozialeinrichtung - wie das Gesetz es vorsieht - ist nicht gewährleistet (...) Zweiklassenmietrecht führt zur Verdrängung etwa jedes vierten Mieterhaushaltes".

Nach der Wahl: SPD für die Privatisierung

Die Bundestagswahl ging für die CDU verloren, die SPD gewann sie. Nach der Wahl schwenkte sie in Privatisierungsfragen auf den Kurs der Pivatisierungsbefürworter ein. "Ich finde es bedauerlich", verlautbarte Franz Müntefering (SPD) nun als zuständiger Minister, "dass der Hauptpersonalrat sich nicht in der Lage sah, die umfangreichen Schutzrechte für die Mieterinnen und Mieter zu würdigen, die in dem vorgelegten Vertrag festgeschrieben sind. Das einzelvertragliche gesicherte Wohnrecht auf Lebenszeit, der Ausschluss von Luxusvermietungen und die vertragliche Verpflichtung der Erwerber, eine Mieterhöhungsbegrenzung weit unter dem gesetzlich Erlaubten zu akzeptieren, um nur einige Schutzklauseln zu nennen, garantiert ein auf Dauer gesichertes Wohnrecht. Ich sehe daher die sozialen Interessen der Mieter ausdrücklich gewahrt."

Vonovia, ehemals Deutsche Annington, eine Heuschrecke

Der scharfe Polemiker Müntefering, der für Finanzmarktfonds das sicher pejorativ gemeinte Wort "Heuschrecken" erfunden und populär gemacht hatte, sah im Fall der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen nicht mehr, dass es genau diese Spezies war, an die die Wohnungen verkauft werden sollten.

Vom selben Autor mit etwas anderer Akzentsetzung: Melkkuh für Aktionäre. Vonovia - ein profitabler Wohnungskonzern und größter privater Vermieter Deutschlands, in: MieterEcho Nr. 389, Juli 2017, p. 12-14