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Übeltäterin Nummer eins: Vonovia
(1. Februar 2019)

Seit dem Dezember 2018 gibt sich der Vorstandschef von Vonovia, Rolf Buch, beleidigt und verkündigte in der Wirtschaftswoche: "Wir werden unsere Investitionsstrategie dramatisch ändern." Er drohte, den deutschen Wohnungsmarkt nicht mehr mit der Modernisierung des Vonovia-Bestandes zu belästigen. 2900 Wohnungen in Deutschland will er noch neu bauen und ansonsten Geld in die Modernisierung von Vonovias Wohnimmobilienbesitzes im nicht-deutschen Ausland investieren, in das schwedische Wohnungsunternehmen Victoria Park zum Beispiel, das Vonovia 2018 übernommen hat.

Flyer

Collage aus einem Flyer des Stadtverbands Frankfurt der Mieterpartei vom Februar 2018

Vonovia hat seit etwa 2016-2017 ein Reditemodell der drastischen Mieterhöhungen in ihren ca. 450 000 Wohnungen durch Modernisierungsprojekte entwickelt, Deutschland weit vereinheitlicht und perfektioniert. Vonovia verhandelt aber mittlerweile gezwungenermaßen in vielen Fällen mit Mietern oder Mieterinnen über ein Zurückfahren der Umlagen bei Modernisierung. So etwa in Essen, aber das ist nur ein schwacher Trost für die von der Modernisierung heimgesuchten Mieter. In einer Siedlung in Essen-Katernberg verlangte Vonovia hohe Aufschläge bei der Miete für erneuerte Dächern, Fenstern und Heizungen. Petra Leonartz vom Mieternetzwerk Nord kämpft mit den Mietern gegen hohe Mietsteigerungen. Sie will bei der Vonovia durchsetzen, dass man "die Leute nicht überfordert". Am Beginn steht immer der Schock über unglaubliche Höhe der angekündigten Mieterhöhungen. So auch bei Bärbel und Erwin Steinicke oder Jörg Kuhrau aus der Siedlung Farrenbroich in Essen-Katernberg. Anfang Dezember 2018 zahlten alle noch eine Kaltmiete von 580 Euro Miete pro Monat. Sind die Modernisierungsarbeiten fertig, soll die Miete deutlich um 140 bis 250 Euro steigen, berichteten die Mieter aus Essen der WAZ am 7. Dezember. Das Mieternetzwerk erreichte, dass Vonovia die Mieter befragte, ob sie auf eine Balkonsanierung verzichten solle, um die Modernisierungskosten zu senken. Die Mehrheit sprach sich für einen Verzicht aus. Im Gegenzug ließ Vonovia nun wissen, dass sie auf einen Teil der Mieterhöhung verzichten werde. Erwin Steinicke ist sowieso der Auffassung, dass die Modernisierung seines Hauses nicht notwendig gewesen wäre: Ein bisschen Farbe hätte wahrscheinlich auch gereicht. Vonovia verzichtete auf Teile ihre Mieterhöhung, bei manchen Mietern auf bis zu 100 Euro. Die Mieter arbeiten mit Petra Leonartz vom Mieternetzwerk Essen-Nord aber an einer Ablehnung dieses Verhandlungsergebnisses. Sie warten auf eine Antwort, die die Modernisierung für sie akzeptabler macht.

In der Stuttgarter Friedhofstraße 11, in einem Hochhaus, protestieren Vonovia-Mieter seit über einem Jahr gegen dramatische Preissteigerungen. Die Stuttgarter Zeitung berichtete, dass eine Rentnerin künftig statt 417 Euro Kaltmiete für ihre 53 Quadratmeter große Wohnung 653,40 Euro bezahlen müsste. Eine Steigerung um satte 63 Prozent. "Das kann ich mir nicht leisten. Ich wüsste dann nicht wohin, denn eine andere günstige Wohnung zu finden, ist aussichtslos." So geht es hier vielen. Für die Rentnerin, die in 17 Jahren diverse Eigentümerwechsel erlebt hat, ist die Vonovia "die schlimmste Heuschrecke von allen". Vonovia plant nicht nur eine Modernisierung in der Friedhofstraße. Von ihren in Stuttgart bewirtschafteten 4606 Wohnungen sollen allein in diesem Jahr 279 modernisiert werden - auch in der Augsburger Straße samt Aufstockung der Gebäude oder in der Nagoldstraße. Das Problem dabei: Aus günstigen Wohnungen, die in Stuttgart Mangelware sind, werden teure. Doch die demonstrativen Proteste der Mieter und Mieterinnen zeigten immerhin Wirkung. Gegen geplante Modernisierungen samt massiver Mieterhöhung lenkte Vonovia im August 2018 wegen der Unterstützung des Mieterprotest in der Friedhofstraße durch die SWSG-Mieterinitiativen, des Mietervereins Stuttgart und schließlich auch des Oberbürgermeisters von Stuttgart ein. Deswegen sollen die Modernisierungspläne an einem Hochhaus in der Friedhofstraße abgespeckt werden und damit auch die späteren Mehrkosten. So werden keine neuen Rollläden am Haus angebracht, alte Heizungen sollen nur noch da erneuert werden, wo sie nicht in letzter Zeit bereits ausgetauscht worden sind. Die Bewohner sollen selbst entscheiden können, ob sie eine neue Wohnungseingangstur bekommen wollen. Für Balkone, die während der Bauzeit nicht benutzt werden können, sollte es eine Mietminderung geben. Vonovia entschied sich dafür, den "Mieterhöhungsbetrag auf maximal 3 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche oder acht Prozent der Modernisierungskosten zu kappen". Damit würde eine 52 qm große Wohnung in Zukunft um 156 Euro teurer - statt wie bisher angedroht - um 256 Euro, schrieb Ursel Beck von den SWSG-Mieterinitiativen dem Vonovia -Aktionsbündnis. Das ist eine substantielle Verringerung der Mieterhöhung durch die Umlage der Modernisierungskosten, blieb wahrscheinlich aber immer noch zu viel für einige Mieter oder Mieterinnen. Viele Menschen, die in der Friedhofstraße leben, könnten sich die ursprünglich angedrohten Mieterhöhungen nicht leisten, schrieben die Stuttgarter Nachrichten und sie berichteten von 19 so genannten "Härtefällen", die von Entmietung bedroht waren. Die Stuttgarter Nachrichten berichteten von einem Brief der Vonovia, in dem diese auf die Tränendrüse drückte: "Wir möchten, dass unsere Mieter bei uns wohnen bleiben können. Wir werden niemand herausmodernisieren. Wir gehen auf die Mieter ein", habe das Vonovia Vorstandsmitglied Freiberg beteuert. Sind damit alle alten Mietverhältnisse gesichert?

Das Renditemodell der Vonovia "Drastische Mieterhöhung durch Umlage der Kosten auf die Mieter und Mieterinnen" findet aber auch bei anderen professionellen und am Finanzmarkt orientierten Vermietern Nachahmer. So berichtete die Süddeutsche Zeitung am 9. Januar 2019 über eine angedrohte Mieterhöhungen der Münchener GBW-Gruppe. Um das Zwei- oder Dreifache der alten Mieten soll die Miete steigen, weil die GBW die Modernisierung in ihren Wohnungen in Schwabing-Nord auf die Mieter umzulegen beabsichtigte. Bisher zahlte eine Mieterin, Frau F., 389,59 Euro, zukünftig sollen es 993,65 Euro sein, etwa zweieinhalb Mal so viel wie bisher. Die GBW kann die ca. 600 Euro auf die alte Miete der Mieter und Mieterinnen in der Luxemburger Straße von München-Schwabing aufschlagen, weil die GBW nach dem Gesetz zur energetischen Sanierung von Mietwohnungen noch bis Ende 2018 11 Prozent der Modernisierungskosten jedes Jahr auf die Miete umlegen konnte, wie es technisch und harmlos heißt, - auch dann noch, wenn die Modernisierung längst bezahlt ist. Ab dem 1. Januar 2019 hätte die Mieterhöhung nur noch maximal 8% der Modernisierungskosten auf ihre Mieter abladen dürfen. "So handelt jetzt eine ehemals dem Freistaat gehörende Wohnungsbaugesellschaft", fällt Beatrix Zurek, der Vorsitzenden des Mietervereins München, dazu ein. Die GWB-Wohnungen waren nämlich als Treuhandvermögen des bayrischen Staates bei der Landesbank geparkt gewesen. Im Jahr 2013 beschloss die bayrische Landesregierung, dass die Bayrische Landesbank die GWB mit ihren 30.000 Wohnungen an ein Konsortium aus 27 Investoren unter Führung der Augsburger Patrizia verkaufen müsse. Das weiß Frau Zurek, und viele andere wissen es auch. Es war ein Fall von angeblichem Zwang durch die EU-Gesetzgebung, die den Besitz von Wohnungen durch Staaten, die Länder oder die Kommunen der EU nicht mehr zuließ. So hieß es damals. Aber die Wahrheit war es nicht. Denn die Nassauische Heimstätte des Landes Hessen ist bis heute nicht privatisiert, weil Hessen 2012 einem Bürgerbegehren folgte, das forderte, die Wohnungen der Nassauischen Heimstätte im öffentlichen Eigentum zu erhalten.

Die GBW will den Mietern und Mieterinnen die Wohnungen zum Kauf anbieten, sagte sie. Sie sei als Vermieterin zum Erhalt der Mietsache verpflichtet, schrieb die GBW in ihrer Ankündigung der Modernisierung. Mitte 2020 solle der Vertrieb starten. Die bisherigen Mieter hätten ein Vorkaufsrecht. Ach ja, wirklich? Die GBW Mieter sind Kummer mit ihrer Vermieterin gewöhnt. Schon 2014 machte sie ihnen Sorgen, als sie an die Patrizia verkauft wurden. Das war die große Zeit der Privatisierungen, "als zehntausend Wohnungen im Großraum München der schützenden öffentlichen Hand entrissen wurden", wie es die Süddeutsche Zeitung damals formulierte.

Die Modernisierungsumlage richte sich nach der Lebenssituation des jeweiligen Mieters, behauptete die GBW in ihrer Ankündigung des Modernisierungsprojektes in München-Schwabing. In finanziellen und persönlichen Härtefällen kann es eine Reduzierung der Erhöhung geben, schrieb die GBW jetzt. Reduzierung der Mieterhöhung im Nachklapp der Modernisierung war, wie oben gezeigt, schon länger in der Investoren getriebenen Wohnungswirtschaft die Erzählung geworden, die den Verdruss über das Umlegen von Modernisierungskosten bei Mietern und Mieterinnen dämpfen sollte. Vonovia verfuhr in letzter Zeit so, um ihre Mieter nicht in großem Umfang zu verlieren, seitdem sie begonnen hatte, Modernisierung als ein Geschäftsmodell der Mieterhöhung zu betreiben, weil Mieter und Mieterinnen in ihren 400 000 Wohnungen sich überfallartige Modernisierungmieterhöhungen immer häufiger und zu Recht nicht einfach gefallen lassen wollen. Vonovia verhandelte mit Mieterschaften Abstriche am Geschäftsmodell Mieterhöhung durch Modernisierung.