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Vonovias Versuchslabor Hamburg Steilshoop
(1. Juni 2019)

Pünktlich zur Akionärsversammlung 2019 überraschte Vonovia ihre Kritiker mit einem "Geschäftsverständnis", das von sozialer Rhetorik trieft. "Vonovia bietet rund einer Million Menschen in Deutschland ein bezahlbares Zuhause. Mehr als die Hälfte der Mieter haben kleine bis mittlere Einkommen. (...) Die durchschnittliche Miete liegt bei 6,56 Euro. Damit steht Vonovia mitten in der Gesellschaft. Hier setzt unser Geschäftsverständnis an. (...) Mit dem Geschäftsverständnis verpflichtet sich Vonovia, die Mietanpassung nach einer Modernisierung auf maximal zwei Euro pro Quadratmeter zu begrenzen. (...) Auch für diejenigen, die sich das nicht leisten können, finden wir eine gemeinsame Lösung. Wir wollen, dass unsere Mieter bei uns wohnen bleiben" (zitiert aus: "Vonovia veröffentlicht Geschäftsverständnis", Unternehmenserklärung der Vonovia SE vom 16. Mai 2019).

So sieht es aber bisher z.B. in Hamburg Steilshoop nicht unbedingt aus. Rolf Bosse, der Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, zeigte mir schon 2016 eine fünfseitige Liste mit 29 Mängeln in Betriebskostenabrechnung von Vonovia. Daran änderte sich bis heute offensichtlich in Hamburg NICHTS.

Im Hamburger Stadtteil Steilshoop hat Vonovia 2.100 Wohnungen. Vonovia zettelt ständig und nicht nur in Hamburg-Steilshoop Gerichtsverfahren an, um ihre Vorstellungen von Zahlungsmoral oder um ihre Forderungen gegenüber ihren Mietern und Mieterinnen durchzusetzen, meinte Rolf Bosse 2016, als ich ihn zum ersten mal traf. Eine ältere Geschichte war, dass Vonovia durch das Amtsgericht Wandsbeck Schadensersatz für Rechtsanwaltskosten in der Höhe von 334,75 Euro bei einer Mieterin einkassieren wollte, und zwar schon vor dem eigentlichen Prozesstermin und vor der Entscheidung im Prozess. Ein Versuchsballon also, wie frech Vonovia auftreten könnte. Das Amtsgericht ließ Vonovia aber auflaufen und entschied, dass Vonovia die Erstattung von vorgerichtlichen Mahnkosten in der Höhe von 5 Euro verlangen könnte, sonst aber nichts.

Vonovia-Wohnungen in Hamburg-Steilshoop, Cesar-Klein-Ring 34, 36, 38 und 40
© Jürgen Bortjen 2019

In Hamburg ist von einem sozial ausgerichteten Geschäftsverständnis, für das sich die Vonovia neuerdings in seiner Öffentlichkeitsarbeit stark macht, nichts zu sehen. Mit den Mietern wird nicht rücksichtsvoll umgegangen. Ihre Beschwerden werden nicht erst genommen. Sie müssen vor Gerichte ziehen, um für gesunde und geordnete Mietverhältnisse zu kämpfen. "Drastische Mieterhöhungen, Schimmel statt Sanierung, langwierige Ausbesserungsarbeiten, in Abrechnungen doppelt aufgeführte Hausmeister, scheinbar schwankende Versicherungskosten - die Liste der Beschwerden ist alt und lang", schrieb der Mieterverein zu Hamburg in seinem Mieterjournal von 2019. Aber dass die Liste bedeutend länger war als 2016, nämlich 37 Punkte lang und sich nur auf eine Immobilie in Steilshoop am Cesar-Klein-Ring bezog, das war nicht zu erwarten gewesen, war aber der Fall. Der Mieterverein wehrte sich im Namen von neun Mietern und Mieterinnen im Cesar-Klein-Ring gegen fast alle Kosten, die die Betriebskostenabrechnung der Vonovia von 2017 in Rechnung stellte. Offensichtlich war es den Mietern und Mieterinnen in den letzten beiden Jahren nicht gelungen, ordentlich belegte Abrechnungen von der Vonovia zu erhalten. Ärgerlich sind für die Mieter und Mieterinnen seitenlange und nicht überzeugende Nabenkostenabrechnungen, die mit unerwarteten, dauernd geänderten Kostennamen aufwarten. Dem wollten die Mieter am Cesar-Klein-Ring ein Ende setzen, ihr Recht auf Einsichtnahme in die Abrechnungsgrundlagen durchsetzen und Fehler aufdecken.

Greifen wir einige Positionen der Abrechnung für den Cesar-Klein-Ring heraus. Nicht bezahlen mochten die Mieter und Mieterinnen die Kosten für einen Hauswart in der Höhe von 24.947,38 Euro und sie baten deswegen um Einsichtsnahme in die zugrundeliegenden Verträge und Tätigkeitsnachweise. Seit wann gebe es einen Hauswart? Ist er gleichbedeutend mit dem Objektbetreuer? Und was sind denn das für besondere Kosten von 155,80 Euro für einen speziellen Hauswart-Heizung? Auch an den Kosten für Strom der Aufzüge nahmen die Mieter berechtigter Weise Anstoß. Der Mieterverein schrieb: Wir bestreiten die Umlagefähigkeit der Kosten von 6.844,86 Euro und bitten um zugrunde liegende Rechnungen sowie um Inaugenscheinnahme der Stromzähler. Welche Stromzähler erfassen welche Aufzüge? Wo befinden sich diese Stromzähler? Ebenso merkwürdig fanden die Mieter und Mieterinnen die Kosten für einen Notruf in den Aufzügen. Der Mieterverein schrieb deswegen: Wir bestreiten die Umlagefähigkeit der Gesamtkosten von 717,38 Euro und bitten um zugrundeliegende Verträge, Leistungsbeschreibungen, Rechnungen und Tätigkeitsnachweise. Mit welcher Firma ist welcher Vertrag geschlossen worden?

Aber für gänzlich unerklärlich hielten die Mieter im Cesar-Klein-Ring noch andere Stromkosten für Aufzüge in der Höhe von 15.336,28 Euro, obwohl sie ihnen auch irgendwie bekannt vorkamen. Sie hatten im Vorjahr nämlich für die Stromversorgung der Aufzüge Kosten von 9.610,00 Euro bezahlt. Nur konnten sie sich jetzt, ein Jahr später eine Steigerung der Kosten um mehr als zwei Drittel nicht erklären, weswegen sie um Erklärung durch Vonovia baten. Sie bestritten auch, dass diese Kosten einzelnen Hauseingängen zugeordnet werden könnten. Sie bestritten auch die Umlagefähigkeit von Wartungskosten von 290,28 Euro für ihre Fernheizung, die nach ihrer Kenntnis wartungsfrei funktioniere und sie bestritten auch die Rechtmäßigkeit einer allgemeinen Abrechnungsgebühr und dann auch noch in der saftigen Höhe von 3.726,96 Euro zu verlangen.

Vonovia hat in jüngster Zeit durch ungeordnete Modernisierungsverfahren, sprunghafte Mieterhöhungen bei energetischer Modernisierung ihre Mieter und Mieterinnen quer durch ganz Deutschland vor den Kopf gestoßen. Vonovia bleibt als Finanzmarkt- und Verwaltungsartist ein Ärgernis, der mit den Wohnbedürfnissen seiner Mietern Monopoly spielt.