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Vonovia 2017: Vernachlässigung kaufen war Bewirtschaftungsmethode Nummer Eins
(18. März 2020)

Gerade eben, Anfang März 2020, hat Vonovia den Geschäftsbericht für das Jahr 2019 vorgelegt. Der Konzern boomt, zehntausende Wohnungen hat er in Schuss gehalten und modernisiert, auch 2.100 neue Wohnungen hat Vonovia fertig gestellt. Vonovia ist, so schreibt sie in ihrem Geschäftsbericht, um 5,3 Milliarden Euro gewachsen. Allerdings erhöhte sich dabei auch die Durchschnittsmiete sich auch auf 6,79 Euro. Das waren gut drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Wie macht sie das, wie kommt sie auf die Milliardenerträge?

Ich bin mir sicher: Die Erhöhung ist zu einem guten Teil auf Erhöhungen der Miete nach energetischer Modernisierung ihrer alten Wohnungen zurückzuführen. Vonovia kaufte immer schon gern quer durch die Republik alte, einfache Mietwohnungen, die sie grundlegend modernisieren konnte und dies ihren Mietern in Rechnung stellte. Das aber wurde in den letzten ca. 10 Jahren ebenfalls quer durch die Republik von den Mietern und ihren Rechtsanwälten angegriffen. Gerade eben haben zum Beispiel Berliner Mieter und Mieterinnen der Vonovia den Prozess vor dem Amtsgericht Wedding gemacht, weil sie versuchte, 2.167.604,42 Euro für den Austausch einer alten Heizungsanlage gegen eine neue auf sie abzuwälzen, allerdings wie in hunderten anderer Fälle ohne die Baumaßnahmen im Einzelnen zu begründen und zu belegen. Deswegen hat Vonovia hat den Prozess verloren, wie viele andere, die sie wegen derselben Schlamperei im Umgang mit Rechten von Mieterinnen und Mietern verloren hat. Die Schlamperei hat System und setzt darauf, dass Mieter oder Mieterinnen sich nicht wehren können oder wollen - um des lieben Friedens Willen oder weil sie keinem Mieterverein angehören, der sich für sie einsetzt. Dass Vonovia Mieter und Mieterinnen durch ihre Miete und durch solche Mieterhöhungen in nicht wenigen Fällen überfordert waren, zeigt sich unter anderem auch daran, dass die Mieter in einem Viertel der energetischen Sanierungen Härtefallanträge bei Vonovia stellten, weil sie die erhöhte Miete nach der Erneuerung der Bausubstanz nicht zahlen konnten - die Vonovia nur in jedem zweiten Fall genehmigte. Auch das steht in ihrem Geschäftsbericht 2019. Für Mieterinnen und Mieter bei Vonovia sind Konflikte um die Miete immer tägliches Brot gewesen und sind es noch immer.

Springen wir 13 Jahre zurück ins Jahr 2007

2007 kaufte sich Vonovia, die damals noch Deutsche Annington hieß, in die Wohnanlage Preuswald in Aachen-Bildchen ein. Sie erstand dort damals 720 Wohnungen. Die Wohnanlage im Preuswald muss schon damals in einem problematischen Zustand gewesen sein. Denn eine Bewohnerinitiative wandte sich an die Stadtverwaltung Aachen und klagte: "Ein früher schickes Wohnviertel im Grünen verkommt mehr und mehr und Politik und Verwaltung tun nichts, um den Niedergang zu stoppen". Es gab in der Wohnanlage freilich auch 36 frei finanzierte Eigentumswohnungen in einer interessanten Terrassenlage und 54 Eigenheime. Es gab das achtgeschossige Punkthaus im sozialen Wohnungsbau. In diesem Haus gab es anfangs ein allen Bewohnern von Preuswald zugängliches Hallenbad. Neben dem Bad wurden in Preuswald für sportliche Aktivitäten eine Sauna, Massage, Tennisplätze und ein Trimm-Dich-Pfad angeboten. Auch ein kleines Einkaufszentrum mit Postamt und Schule existierte dort. Ein zentrales Heizkraftwerk sorgte für Beheizung und Warmwasserversorgung der Siedlung. Die Architektur war modern und interessant, die Mischung der Bewohnerschaft war von Mietern mit geringem Einkommen bis zum betuchten Eigenheimbesitzer sozialpolitisch vorbildlich und der Zukunft zugewandt.

Die Einkommen waren in der Nachkriegszeit sprunghaft gestiegen. Viele Menschen konnten sich gut vorstellen, mit Licht und Luft im Wald und in einer Mustersiedlung des sozialen Wohnungsbaus zu wohnen. Aber durch einen Schwenk seiner Besitzerinnen aus einer Gemeinwohl orientierten Wohnungswirtschaft in eine Profit orientierte Kapitalanlage, die Renditen von 10 Prozent und mehr erbringen sollte, wurde der Weg der Siedlung Preuswald in ihre Vernachlässigung schier unvermeidlich. Von 1998 bis 2007 wechselten ständig die Eigentümer. 2001 wurde eine GVAG aus Bad Mergentheim Eigentümerin, 2005 eine Newton International BV, Niederlande, ohne dass die neuen Eigentümerinnen in die Substanz der Siedlung investierten. Es war die Zeit der neoliberalen Wende in der deutschen Wirtschafts- und Wohnungspolitik, in der sich Investitionen in die Realwirtschaft an Orten und in Regionen mit ihren spezifischen Ressourcen begannen sich nicht mehr richtig zu lohnen. Stattdessen wurde es lohnend, Geld direkt in Hypotheken und vergleichbare Anleihen in und aus dem internationalen Finanzmarkt zu investieren. Als in Preuswald das Wohnungsunternehmen Newton Real 2007 schließlich ihren Bestand an die Deutsche Annington/Vonovia verkauften, war die Substanz der Siedlung bereits stark angegriffen. Die Beschädigung der Orte und Städte war eine offensichtige Folge. So auch in Aachen Bildchen.

"Heute", so schrieb Klenkes Stadtmagazin Aachen 2010, "rund 30 Jahre nach der glamourösen Einweihung, ist nicht viel übriggeblieben vom strahlend-weißen Luxus-Wohngefühl. Von den Häusern im Preuswald bröckelt der Putz. Das Hochhaus Altenburger 4 ist Zeugnis des Verfalls. Die Klimaanlage monatelang defekt, die Flure dunkel und muffig, an den Wänden Schmierereien. Das zum Haus gehörige Schwimmbad könnte mehr als einen neuen Anstrich gebrauchen. Geht man durch die Straßen der Siedlung, herrscht größtenteils Stille. Nur wenige Kinder spielen auf den übrig gebliebenen Spielplätzen. Menschen, die draußen die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings tanken, sucht man vergebens. Balkone haben Risse, eiserne Fassungen vor den Haustüren warten auf neue Fußmatten, in Kellerabgängen verrottet Laub. Kein Supermarkt, keine Apotheke. Für mehr als 2.000 Menschen". Dank der Beharrlichkeit einer Bewohnerinitiative und der Stadt Aachen wurde wenigstens das durch die Annington technisch sanierte Schwimmbad in der Siedlung Preuswald , allerdings immer nur zeitweise und vorübergehend, wiedereröffnet und ein Stadtteilbüro für Quartiermanagement eingerichtet. Aber so richtig besser wurde es in Preuswald nicht, weshalb sich die Bürgerinitiative mit einem offenen Brief am 15.5.2013 erneut an den Oberbürgermeister der Stadt Aachen wandten. "Die DA besitzt 80 Prozent des Wohnungsbestands in unserem Viertel, das ihr damit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Die DA ist eine Rendite-orientiertes Unternehmen, das aufgrund ihres Geschäftsmodells seinen Wohnbestand im Preuswald über Jahre hinweg vernachlässigt und so zu einem sozialen Brennpunkt herunter gewirtschaftet hat. Aufgrund dieses Geschäftsmodells hat sich die Situation in unserem Viertel in den letzten beiden Jahren verschärft und zu einer Ghettoisierung geführt". Da ist sie wieder, die Vernachlässigung als Bewirtschaftungsmethode Nummer eins ihrer Wohnungsbestände.

Kann sein, dass das Conora Virus jetzt eine Krise der internationalen Finanzmärkte auslöst, toxischer als die Verbriefungspapiere der Banken je waren, über die die Deutsche Annington und ihre nachfolgenden Unternehmenskonstrukte bis zu ihrer börsennotierten Form konstruiert waren. Ein Kurssturz der Vonovia Aktie ist daher selbstverständlich nicht ausgeschlossen.