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Alternativen zu Vonovia!
(18. März 2021)

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Foto: Sebastian Müller

Wohnungsgenossenschaften

Mieten einfrieren, deckeln oder Wohnungskonzerne enteignen, das ist das, was zur Zeit als Mittel gegen steigenden Mieten diskutiert wird. Aber kaum wird besprochen, was als Alternative zu vermietetem Kleineigentum an Wohnungen oder heute als Alternative zum börsenorientierten Wohnungsunternehmen schon lang existiert - die Wohnungsgenossenschaften. Der Spar- und Bauverein Dortmunds wurde schon 1893 gegründet und ist heute mit ca. 12000 Wohnungen in und um Dortmund herum, mit den Spar- und Bauvereinen im angrenzenden Unna-Königsborn und Holzwickede der größte genossenschaftliche Vermieter in Nordrhein-Westfalen. Wohnungsgenossenschaften sind also schon seit langer Zeit eine Alternative zur privatwirtschaftlichen orientierten Wohnungsvermietung. Und es gibt bis heute auch immer wieder neue und lebendige Gründungen wie die Ölberg-Genossenschaft in Wuppertal. Sie wurde 2009 gegründet, in einer Zeit eher krisenhafter Wohnungsmärkte im Ruhrgebiet oder dem Bergischen Land. Die Ölberg-Genossenschaft beschrieb die Lage so: "Lange Zeit galt das sogenannte Wachstumsparadigma. Im Kontext tiefgreifender demographischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, die den Wohnungsmarkt beeinflussen, entstehen vielerorts entspannte Wohnungsmärkte, Leerstände, Vermarktungsschwierigkeiten und Wertverluste von Immobilien. Die Zukunft mancher Stadtteile in Wuppertal ist ungewiss ... Risiken bestehen in Wuppertal u.a. für Quartiere entlang der Tal-Achse, damit auch für den Ölberg - einem gründerzeitlichen Stadtquartier in der Elberfelder Nordstadt. Die Bebauung stammt größtenteils aus der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Weitere Kennzeichen sind die dichte Bebauung und die soziale Mischung der Bewohnerschaft. An Orten wie diesen greifen die klassischen Instrumente der Stadtentwicklung oftmals nicht mehr".

Dachgenossenschaften

Jünger ist in Nordrhein-Westfalen die Gründung einer so genannten Dachgenossenschaft im Jahr 2016 durch die Wohnbund-Beratung-NRW mit Brigitte Karhoff und Horst Hücking. Sie gründeten die Ko-Operativ eG NRW für gemeinschaftliche, nachbarschaftliche und soziale Wohnprojekte. Die Gründer der Dachgenossenschaft "Ko-Operativ" gingen von der Idee aus, dass der Gründungs- und Verwaltungsaufwand für kleinere Projekte sich durch Vernetzung und Erfahrungsaustausch verringert werden kann, sinnvoll ist und auf Dauer zu einem großen Fundus von Erfahrungen führt. Jede Gründung einer Wohnungsgenossenschaft sucht nun nicht mehr allein und für sich, die grundlegenden wirtschaftlichen und juristischen Voraussetzungen zu schaffen, die eine Wohnungsgenossenschaft benötigt. Das Risiko der Spekulation mit dem Mehrwert der Immobilien wird auf ein Minimum reduziert. Diese Idee festigte sich in dieser Zeit an mehreren Stellen in Deutschland.

Miethäuser Syndikat, Freiburg

Eine solche Stelle war das Miethäuser Syndikat in Freiburg. Das Miethäuser Syndikat ist Es wurde 1999 in der in Freiburg gegründet. Ende 2020 arbeiteten 159 Hausprojekte in dem festen Verbund des Mietshäuser Syndikats zusammen. Viele Syndikat Projekte sind aus besetzten Häusern hervorgegangen und haben ihre Besetzungs- oder Haustraum-Geschichte. Jedes der Häuser ist autonom. Gruppen von Menschen haben die Idee, diese und keine andere Immobilie zu bewohnen, sie gemeinschaftlich zu bewirtschaften und zu modernisieren oder passend für die Gruppe machen. Die Anfangsphase ist immer am schwierigsten zu finanzieren. Die Kaufverhandlungen oder die politische Durchsetzung des Hauserwerbs ist schwierig, die Finanzierung der Idee, gemeinsam zu wohnen, muss erst einmal gesichert werden. Kreditfindung, Gruppenfindungsdynamik, die Suche nach einer passenden Rechtsform und schließlich auch die Bauaktivitäten selbst, sind von den Häusergruppen meist nicht durchdacht. Alles muss meist erst gelernt werden. Wenn ein Hausprojekt in die Arme des Miethäuser-Syndikat flüchtet, muss es auch noch verstehen und akzeptieren, wie der Mitfinanzierungsmodus des Syndikats funktioniert. Das neue Hausprojekt bringt sein Objekt als Anteil in eine GmbH mit dem Syndikat Verein ein. Es muss also einen Teil seiner Souveränität über die Immobilie wieder abgeben. Es erhält im Gegenzug dafür Unterstützung bei den Krediten für den Erwerb und die Bauleistungen.

Es gibt heute Aufnahmekriterien für die Aufnahme neuer Projekte und Initiativen in das Miethäuser Syndikat. Das erste Haus, das Haus in der Hasslacher Straße wurde bereits nach einer längeren Besetzungsgeschichte von einer Haus GmbH gekauft, damals mit dem Hausverein als alleinigem Gesellschafter. Der Hausverein wünschte die Beteiligung des Syndikats an seinem Hausprojekt. Die 14 Bewohner kamen alle aus dem Umfeld des Syndikats, das heißt, sie arbeiteten bereits in einem der Syndikatprojekte und teilen das politische Ziel des Miethäuser Syndikats. Der Kaufpreis betrug 600 000 Euro inklusive Baunebenkosten, welche über die Sparkasse, einem Kredit der Bewegungsstiftung sowie Direktkredite in der Höhe von 220 000 Euro finanziert wurde. KfW-Mittel wurden beantragt und bewilligt, "und am Montag geht der Ausbau los"... Die Kaltmieten betrugen damals 8,50 Euro, nach dem Innenausbau 7,50 Euro. Im Beschluss des Miethäuser Syndikat hieß es: "Das Miethäuser Syndikat beteiligt sich gern am Projekt. Collage und wird der Collage GmbH einen Anteil von 12.400 Euro abkaufen. Der Beschluss wurde ohne Gegenstimme gefasst."

Stiftung Trias

Die dritte interessante Organisation für sozial-orientierte Wohnprojekte in Deutschland ist die Stiftung Trias. Trias gründet sich 2002. Hier ist die Koordination von genossenschaftlichen Wohnprojekten nicht mehr das einzige Ziel. Es werden in den Trias-Projekten auch soziale Ziele verfolgt, die sich mit genossenschaftlichen Wohnprojekten verbunden werden können. Integrierte Stadtteil- und Quartiersentwicklung, sowie Stadtteilmanagement und Projektentwicklung für nachbarschaftliches Wohnen kommen mit dazu. Projekte wie "Xenion" etwa, das ein Sondervermögen für Psychosoziale Hilfen und Wohnungen für politisch Verfolgte schafft und dafür das Sondervermögen Ankommen und Bleiben bei der Stiftung Trias eingerichtet hat. Ein erster Kooperationspartner wie die junge Genossenschaft "Besser Genossenschaftlich Wohnen von 2016 eG" in Berlin war bald gefunden. Triasprojekte engagieren sich im Stadtteil und sind zugleich Teil von Netzwerken sozialer Arbeit. Hier vermietet Wohnungsunternehmen geeigneten Wohnraum an Menschen, die von einem sozialen Träger betreut werden. Es gibt nämlich das sehr grundlegende Problem, dass soziale Träger zwar auf Wohnraumförderung zugreifen können. Aber Wohnungsgenossenschaften können nicht auf andere Fördermöglichkeiten zugreifen, die an andere Formen der Gemeinnützigkeit gebunden sind. Unter Anderem deswegen organisiert Trias umfangreich gesellschaftliche Dialoge, unterstützt Projektmacherinnen und Projektmacher auf fach- und gesellschaftspolitischer Ebene. Denn gesellschaftliche Veränderungen beginnen in den Köpfen der Menschen und nicht beim Lesen von Gesetzestexten zur Gemeinnützigkeit. Eine gesellschaftspolitische Intervention war die "Schwerter Erklärung" von 2017 zur Debatte um die Spekulation mit Grund und Boden und überhaupt um das nach wie vor unbeschränkte Eigentum am Boden, das sich am Auseinanderdriften der Bodenpreise zwischen Stadt und Land oder bei bevorzugten Wohn- oder Geschäftslagen zeigt. Trias setzt sich dafür ein, Boden dem Markt zu entziehen. Für die sozialen Alltagslaboratorien des Zusammenlebens werden Räume benötigt. Kommunales Bodeneigentum müsste dafür deutlich häufiger im Erbaurecht vergeben werden, Konzeptvergabe sollte die Regel werden. Öffentlich-rechtliche Bodenfonds für die Landwirtschaft, leistungslos Planungswertgewinne und Teile des Bodenfonds sollten für Bodenfonds genutzt werden.

Als "gemeinnütziger Bodeneigentümer" hat Trias seit seiner Gründung 43 Grundstücke in ihren Vermögensstock übernommen und so der Spekulation entzogen. Trias setzte seine Grundsätze sozial und ökologisch verantwortlicher Bodennutzung in einer Reihe von eigenen Projekten um. Trias realisierte die Dacherneuerung des ehemaligen Bahnhofs in Wuppertal-Beyenberg, kaufte das Gebäudeensemble und richtete es für Büronutzung her. Ein Teil des Gebäudes wird von einer Fachschule für soziale Berufe und von einer Wohngruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen genutzt. Eine alte Dorfscheune in Prädikow soll zu einem "Dorfwohnzimmer" und zu einem "Dorfbüro" werden. Der Hof ist das Wohn- und Arbeitsprojekt einer "SelbstBau e.G." in das Zuwendungen des Landes Brandenburg und des LEADER-Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums der EU geflossen sind. Wird Strom in Solaranlagen produziert, muss dafür Steuer bezahlt werden. Überschreiten Einnahmen eine bestimmte Höhe, werden sie körperschaftssteuerpflichtig. Im Herbst 2009 zogen nach fünfjähriger Gruppenfindungs-, Planungs- und Bauphase 28 Erwachsene und 15 Kinder in ein neu gebautes genossenschaftliches Wohnprojekt im Prenzlauer Berg in Berlin, die Leuchtturm eG. Inzwischen wohnen dort 41 Menschen von 9 - 76 Jahren.

Nachbar*innen auf dem Hof Prädikow, einem der größten Vierseitenhöfe in Brandenburg werden noch gesucht. Die Europäische Union unterstützte dies Projekt im Forschungsvorhaben Open Heritage, das praktische Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Instrumenten untermauern will. Das Projekt "Schöneberger Linse" soll inklusives und nachhaltiges Wohnen langfristig sichern. Auch hier dauerte die Konzeption lang. Aber nach vier Jahren konnte der Erbbauvertrag auch dieses Projekts unterschrieben werden. Das erste Erbbaurechtsprojekt der Oberlausitz wurde von Trias auf dem Hof Tomte in Herrenhut Ruppersdorf entwickelt. Der Hof ist ein generationenübergreifendes Wohnprojekt. Der Hof ist kleinbäuerlich und handwerklich geprägt. 6 Menschen im Alter von 8 bis 64 Jahren arbeiten und leben dort. Der historische und denkmalgeschützte Vierseitenhof soll im Lauf der Zeit baubiologisch saniert und flächenmäßig erweitert werden. Ein letztes Projekt von Trias ist das Herstellen des Gemeinschafts- und Lehrgartens Amares in Köln. Es ist ein Kinder-, Junggemüse und Lehrgarten, der auch ein Begegnungs- und Spielort in der Nähe des Kölner Tierparks sein oder werden soll.

Wohn- und Baugemeinschaften

Als Alternative zu Vonovia sehe ich auch "Wohn und Baugemeinschaften". Sie sind eine solidarische Form für Wohnungseigentum. In der Zeitschrift Chrismon 3-2021 wurde über diese Eigentumsform berichtet. Ich berichte auf dieser Grundlage, wie es 2009 bis 2013 zu einer Baugemeinschaft in Hamburg kam. Die Autorin des Artikels, Dorothea Heinze fragt, wie fühlt man sich in einer Eigentümergemeinschaft. Antwort: "Einfach großartig. Es waren drei echt harte Jahre - stundenlange Sitzungen, oft bis in die tiefe Nacht. Über jede Kleinigkeit wurde diskutiert: die Farbe des Jalousien, Holz- oder Kunststofffenster. Aber am Ende mussten wir uns einigen, und das hat uns zusammengeschweißt. Diese gemeinsamen Erinnerungen an heimliche Baustellenbesuche zum Beispiel." Die Interviewpartnerin meinte: "Ich sage immer: Ein Haus kann man sich kaufen, Nachbarn nicht." In dem zitierten Bericht wird erklärt, dass es in dem dreistöckigen Wohnprojekt 33 Wohneinheiten von 50 bis 170 Quadratmeter gibt. Ein zweiter Interviewpartner erzählt: "Als ich meine Disputation für die Doktorarbeit vorbereitete, habe ich abends im Gemeinschaftsraum vor Nachbarn geübt. Thao, meine Partnerin, hat gerade ihr erstes Kinderbuch, deutsch-vietnamesisch, geschrieben. Eine Nachbarin hat beim Lektorat geholfen. Oder: Wir haben uns jahrelang einen Hund mit einer Nachbarsfamilie geteilt. Dogsharing. Ich freue mich schon auf den Sommer - wenn du von der Arbeit nach Haus kommst, hat schon jemand den Grill angeworfen. Vielleicht sind wir erst zu dritt, später zu zehnt. Das ist unkompliziert, unheimlich schön und stärkt uns auch als Familie. .... Wir sind da nicht anders als andere Gruppen. Einige machen viel, andere weniger; einige meckern viel, andere äußern sich nie. Am Ende finde ich wichtig: Wenn das Gras im Garten zu hoch ist, wird es halt gemäht von irgendjemandem. Bis jetzt haben wir keine wirklichen Konflikte. Die viele Gemeinschaftsflächen sind schon sehr durchlässig, so eine richtige Privatsphäre hat man hier nicht immer." Der Interviewte und sein Frau sind gebürtige Vietnamesen. Er betont: "Durch das Leben hier (in der Wohn-und Baugemeinschaft) sind wir ganz und gar angekommen. Mehr Integration geht nicht."